Bleizugmacher    Turmuhrenbauer    Traktorenbauer    Fahrradbauer


Fendt - Die Traktorenbauer

Im Jahr 1898 übernahm der Mechanikermeister Johann Georg Fendt (1868 bis 1933) - genannt Jörgl - die elterliche Schlosserei mit dem landwirtschaftlichen Anwesen an der Jahnstraße in Oberdorf (heute Marktoberdorf). Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit blieb die gut eingeführte Fertigung von Bleizügen, worin er auch seine Söhne Xaver (1907 bis 1989) und Hermann (1911 bis 1995) ausbildete. Mit der fortschreitenden Motorisierung von Gewerbe und Landwirtschaft wandte sich der Betrieb jedoch immer mehr dem Maschinen- und Fahrzeugbau zu, so dass die Bleizugherstellung um 1928 ganz eingestellt wurde.

Ein neues Standbein sah Johann Georg Fendt vor allem in der Technik der Verbrennungsmotoren, die er in Form stationärer Einzylinder-Benzol-Motoren für Gewerbe und Landwirtschaft nutzbar machte. Aus eigener landwirtschaftlicher Erfahrung wusste er, dass die bäuerlichen Betriebe insbesondere für die körperlich äußerst anstrengende Halmfuttergewinnung nach Mechanisierungshilfen verlangten. So war es wohl auch der Kundenkontakt mit dem Wagnermeister Lukas Heel aus Schwangau, der Johann Georg Fendt 1927 zum Bau von motorisierten Erntehilfen inspirierte. Heel arbeitete damals an einem Fahrzeug, bestehend aus einem McCormick-Gespann-Grasmäher mit lenkbarem hölzernen Vorderkarren sowie einem - von Fendt gelieferten - aufmontierten ­3PS-Benzinmotor, das eigenständig fuhr und dabei auch den Mähbalken antrieb.

Angeregt durch diese Arbeiten wurde in der Fendt´schen Werkstatt in der Jahnstraße 1927 mit den ersten Umbauten an einem Gespannmäher begonnen, nur sollte der Benzinmotor - anders als bei Heel - vor den Fahrersitz montiert werden. Die Sicht des Fahrers auf den Motor war Johann Georg ebenso wichtig wie eine bessere Verteilung des Fahrzeuggewichts. Diese ersten Ideen wurden in den damals noch kleinen und engen Verhältnissen unter mannigfachen Schwierigkeiten weiter entwickelt und verfeinert bis schließlich 1928 der erste Fendt-Motormäher auf dem Bauernhof von Johann Strobel in Burk bei Bertoldshofen seine Praxistauglichkeit unter Beweis stellen konnte. Ein auf einen Rahmen gesetzter 4-PS-Viertakt-Benzinmotor der Firma Deutz trieb die Fahrkupplung und das von Opel gelieferte Schaltgetriebe mit drei Vorwärtsgängen und einem Rückwärtsgang über Kettengetriebe, Ritzelwelle und Innenverzahnung bis zur Hinterachse an.



Hermann Fendt 1928 Erstes Fendt Dieselross

"Der Fendt-Motormäher markiert einen wichtigen Meilenstein in der Traktorengeschichte. Er hatte seinen Anfang in der landwirtschaftlichen Arbeitsmaschine und avancierte durch das Hinzufügen eines Aufbaumotors zum Selbstfahrer. Er steht damit neben anderen Motormähern, wie sie seit 1925 unter anderem bei den Gebrüdern Kramer im badischen Gutmadingen, ab 1926 bei den Gebrüdern Hagedorn im westfälischen Warendorf und ab 1929 bei Hermann Lanz im württembergischen Aulendorf gebaut wurden" (Herrmann, Die Fendt Chronik, 2000).

Auf der Grundlage der in der eigenen Landwirtschaft gesammelten Erfahrungen sowie zahlreicher technischer Verbesserungen konzipierte der Fendt´sche Betrieb 1929 einen Kleinschlepper, der vielseitiger und im Unterhalt billiger als der Motormäher mit Benzinmotor sein sollte. Das Mähwerk musste fahrunabhängig, "leicht und schnell an- und abzubauen sein und der Schlepper sollte pflügen, mähen und andere Maschinen und Erntewagen ziehen können." Zudem sollte der durch einen verdampfungsgekühlten Einzylinder-Deutz-Dieselmotor (6-7 PS) angetriebene Kleinschlepper leichter und billiger als die bereits auf dem Markt befindlichen etwa 2.000 kg schweren Schlepper sein, die bereits zweischarig pflügen konnten. 

Erstes Dieselross mit Mähwerk und Anbaupflug

Hermann Fendt nannte den kleinbäuerlichen Schlepper Dieselross: "Als maschinelle Hilfskraft des Landwirts, dem es das Pferd ersetzt, empfanden wir den Traktor als Stahlross, dem wir - mit Rücksicht auf seine Dieselspeise - glaubten, gerechterweise den Namen Dieselross geben zu müssen." Der erste europäische Diesel-Kleinschlepper mit einer Mähleistung von zwei Tagwerk in der Stunde wurde 1930 an den Landwirt Peter Guggemos aus Burk bei Seeg im Allgäu ausgeliefert. Das zweite Fendt-Dieselross mit Dieselmotor erwarb noch im selben Jahr der Oberdorfer Landwirt und Brauereibesitzer Franz Sailer.

Auf der "Landwirtschaftlichen Ausstellung" in München 1933 wurde der Diesel-Kleinschlepper der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu einer Zeit also, zu der die bereits groß gewordenen Schlepperfirmen Fahrzeuge mit Glühkopf-, Vergaser- und Dieselmotoren mit einer Leistung von etwa 28 PS an landwirtschaftliche Groß- und Mittelbetriebe lieferten, begann die Firma Xaver Fendt den Schlepperbau mit Blick auf die kleinbäuerlichen Betriebe. Die Jahresproduktion bei handwerklicher Fertigung mit fünf Mitarbeitern betrug 1933 drei Dieselrösser. Mit einer Vertriebspartnerschaft mit der Bayerischen Warenvermittlung (heute BayWa AG) wurde 1935 der Grundstein für ein stetiges Wachstum der Firma gelegt. 1937 erfolgte die Inbetriebnahme der ersten großen Werkshallen, in denen die Dieselrösser F 18 und F 22 gebaut wurden. Diese Baureihen überzeugten viele Bauern in Bayern, so dass 1938 bereits das 1.000ste Dieselross vom Band lief. Doch Ende der 30er Jahre folgte kriegsbedingt ein dramatischer Niedergang von Produktion und Nachfrage.

Gestützt auf jahrzehntelange Erfahrung  im Präzisionsmaschinenbau stellten auch Clemens Fendt (1869 bis 1950) und sein Sohn Clemens Fendt jun. (1903 bis 2001)   Fendt Mammut Traktorähnliche Überlegungen an wie Hermann Fendt und entwickelten einen kettenlosen Universal- Bauernschlepper, dem sie den Namen Mammut gaben. Der damals bereits luftbereifte Schlepper wurde von ein- bzw. zweizylindrigen Viertaktmotoren mit 14 bzw. 22 PS angetrieben und galt technisch als ausgereift und überaus fortschrittlich. Zwischen 1934 und 1936 konnten bereits 30 Schlepper gebaut und verkauft werden.

1939 musste Clemens Fendt die Fertigung des Mammut aufgrund der Materialbewirtschaftung des Dritten Reiches aufgeben. Das Aus für den zweiten Oberdorfer Traktor-Fabrikanten blieb damit nicht dem freien Spiel der Marktkräfte vorbehalten, sondern wurde im Schlepperausschuss in Berlin (Vorsitz Dr. Rieke) entschieden und von staatlicher Seite verordnet. Neben der Firma Xaver Fendt konnte von den regionalen Herstellern auch die Fa. Martin in Ottobeuren ihre Traktorenproduktion fortführen. Als Ersatz spezialisierte sich die Firma Clemens Fendt KG neben der Herstellung von Kirchturmuhren und Bleizügen auf die Fertigung von luftbereiften Gespannwagen und landwirtschaftlichen Anhängern, die als Produkte von hoher Qualität überregional ihre Abnehmer fanden. Clemens hat die industrielle Fertigung 1970 altersbedingt aufgegeben.

Nach dem kriegsbedingten Ausscheiden der Clemens Fendt KG aus dem Zugmaschinenbau konzentrierte sich in Oberdorf die Produktion von Schleppern auf die Firma Xaver Fendt - Maschinenbau:

  • Nach dem Tod von Johann Georg Fendt im Jahre 1933 wird seine Frau Keszentia Fendt Inhaberin des landtechnischen Betriebs, ihr ältester Sohn Xaver wird Betriebsleiter.
  • 1935 wird das 100ste Dieselross ausgeliefert.
  • 1937 Gründung der Firma "Xaver Fendt & Co. Maschinen- und Schlepperfabrik" durch die Brüder Xaver und Hermann Fendt als Komplementäre und deren Mutter Kreszentia Fendt als Kommanditistin. Xaver legt in diesem Jahr die Meisterprüfung im Schlosserhandwerk ab.
  • 1937 erfolgt die Grundsteinlegung zu den heutigen Werksanlagen auf einem bis dahin landwirtschaftlich genutzten Grundstück im Eigentum der Mutter.
  • 1937 wird das luftbereifte Dieselross F18 neu ins Fertigungsprogramm aufgenommen. Es ist europaweit der erste Schlepper mit einer fahrunabhängigen und lastschaltbaren Zapfwelle.  
  • Fendt F18

  • 1938 verlässt das 1.000ste Dieselross die Werkhallen.
  • Von 1942 bis 1949 werden 1497 Schlepper mit Holzgasgeneratoren gefertigt.
  • 1948 Eintritt von Paul Fendt (1915) in die Firma durch Übernahme der Kommanditistenanteile.
  • 1950 beginnt die Serienproduktion des legendären F15 Dieselross mit 15 PS. Monatlich werden 300 Schlepper gefertigt und am 12. August ist die Produktionszahl von 10.000 Fahrzeugen erreicht.
  • Fendt Dieselross F15

  • 1953 kommt der 12-PS starke Geräteträger mit vier Anbauräumen auf den Markt, dem 1959 die höchste DLG-Anerkennung zuteil wird.
  • 1954 Gründung der Kemptener Maschinenfabrik GmbH, die neben Kettelmaschinen und Gabelstaplern Hydraulikkomponenten für die Schlepperproduktion fertigt.
  • 1955 auf der DLG-Ausstellung in München gehört der Geräteträger F 12 GT zu den Sensationen. Nach weiteren Testjahren wurde das revolutionäre Ein-Mann-System 1957 in den Markt gebracht.
  • 1955 läuft der 50.000 Schlepper vom Band.
  • 1958 wird das bisherige "Dieselross"-Programm durch die Fix-Farmer-Favorit-Reihe ("ff"-Reihe) mit neuem Design und Leistungen von 15-80 PS abgelöst. Damit findet Fendt den Anschluss zur Spitze der Schlepperbauer (Slogan: "Wer Fendt fährt führt").
  • 1961 Produktion des 100.000sten Schleppers.
  • 1964 präsentiert Fendt einen Schlepper mit hydrostatischem Getriebe.
  • 1968 wird der Farmer 3 S mit 48 PS und stufenloser Anfahrautomatik (Turbomatik) vorgestellt.
  • 1970 Übernahme der in Konkurs gegangenen Firma Lely-Dechentreiter in Asbach-Bäumenheim. Die Werksanlagen werden teilweise für die Traktorenproduktion benutzt, aber auch das Caravan-Geschäft wird fortgeführt.
  • Mit dem Universaltransporter und Erntefahrzeug Agromobil wird 1971 eine neue Produktlinie vorgestellt.
  • 1976 Markteinführung der Favorit LS-Reihe mit Sechszylindermotoren zwischen 85 und 150 PS.
  • 1980 Vorstellung der neuen Großtraktoren-Generation in der Leistungsklasse über 200 PS.
  • Xaver und Hermann Fendt ziehen sich 1981 aus der Geschäftsführung der Firma Xaver Fendt & Co. zurück und wechseln in den Beirat. Die Firma wir von nun an von familienunabhängigen Managern geführt.
  • Als Original-Freisicht-Schlepper ohne Motorhaube wird 1984 der 380 GTA vorgestellt, dessen Konzept auf einem Unterflurmotor basiert.
  • 1985 übernimmt Fendt erstmals in Deutschland die Marktführung.
  • Auf Empfehlung eines externen Beraters wird 1987 die jahrelang ausgesetzte Entwicklungsarbeit an einem bereits 1973 zum Patent (DT-AS 2335629) angemeldeten Hydrostatischen Getriebe wieder aufgenommen. Die weiteren Entwicklungen mündeten schließlich in der Serienreife eines stufenlosen Vario-Getriebes, dem genialen High-Tech-Produkt von Fendt weit über die 90er Jahre hinaus (Details).
  • Mit der 800er Baureihe kommen 1993 die ersten Großtraktoren der Welt mit Turboshift, hydropneumatischer Kabinen- und Vorderachsfederung und einem 50 km/h-Potential auf den Markt.
  • 1995 wird mit dem Favorit 926 auf der Agritechnica der erste Großtraktor der Welt mit einem stufenlosem Vario-Getriebe vorgestellt: eine Revolution im Getriebebau!
  • 1996 verlässt der 500.000ste Schlepper das Band.
  • Im Januar 1997 verkaufen die Erben von Xaver und Hermann Fendt das Unternehmen Xaver Fendt & Co. an die us-amerikanische Firma AGCO Corp., Atlanta. AGCO hat seit Gründung im Jahr 1990 durch Fusionen und Übernahmen von Markenherstellern eine weltweit führende Position in der Agrartechnik erreicht. Ende 1997 verkauft AGCO das Fendt-Caravan-Geschäft am Standort Bäumenheim an die Firma Hobby Wohnwagen GmbH.
  • Unter der Bezeichnung Fendt-Dieselross wurden von Beginn des Schlepperbaus bis Mitte der sechziger Jahre die Schlepper aus Marktoberdorf zum Qualitätsbegriff. Danach zierte über viele Jahre zwar nur noch ein Fendt-Schriftzug die Schlepperhaube, doch konnten Produktqualität und Spitzentechnik erhalten und gefestigt werden. Die Firma Xaver Fendt & Co. expandierte zum technisch weltweit führenden Unternehmen und zum nationalen Marktführer. Um dieser Stellung sichtbaren Ausdruck zu verleihen, ist seit 2005 das Dieselross-Emblem als Symbol einer starken Qualitätsmarke auch wieder auf dem Kühlergrill der Fendt-Schlepper zu sehen.

    In Anerkennung seiner Verdienste um die Agrartechnik verlieh die Technische Universität Braunschweig Hermann Fendt 1971 die Ehrendoktorwürde. Xaver und Hermann erhielten 1987 für ihre "unternehmerische Leistung und ihr ehrenamtliches Wirken" das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Zahlreiche weitere hohe Auszeichnungen folgten.