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Fendt - Die Bleizugmacher

Die Oberdorfer (heute Stadt Marktoberdorf) Fendt können auf eine nahezu 400-jährige handwerkliche Tradition zurückblicken. Vor allem wurde das Schlosserhandwerk ausgeübt, doch finden sich unter den Ahnen auch Geigenbauer, Goldschmiede und Fabrikanten. Immer aber führte die Tüchtigkeit des Allgäuers zu interessanten und anerkannten technischen Neuerungen sowie zu geschäftlichem Erfolg.

Von den Oberdorfer Fendt-Familien wurden über einen Zeitraum von 350 Jahren Bleizüge hergestellt. Bleizüge sind Werkzeuge, mit deren Hilfe vorgeformte Bleiprofile im kombinierten Gleitzieh- und Walzverfahren durch ein fest stehendes Ziehwerkzeug (Gleitbacken) gezogen und zu sogenannten Bleisprossen bzw. Bleiruten kalt umgeformt werden. Bleisprossen mit unterschiedlichen H-förmigen Profilen werden bei der Verglasung von Fenstern (Bleiverglasung) benötigt. Dazu werden einzelne Flachglas-Stücke durch Bleisprossen verbunden und an den Schnittpunkten der Sprossen verlötet. Bleiglasfenster sind heute vor allem noch bei den bunten bemalten Kirchenfenstern anzutreffen. Bleizüge sind nach geschichtlichen Unterlagen seit dem 16. Jahrhundert bekannt.



Fendt Bleizug 1782

Bleizug von Dominikus Fendt aus dem Jahre 1782 (im Familienbesitz)



Der älteste bekannte Bleizug, der auf die Familie Fendt zurückzuführen ist, wurde von Dominikus Fendt im Jahre 1782 gefertigt.


Ziselierte Initialen von Dominikus Fendt

Dominikus - geboren 1751 - hat das Schlosserhandwerk von seinem Vater Anton (1718 bis 1764) und seinem Großvater Johann (1691 bis 1765) - einem "höchst lobenswürdigem Mann" - erlernt. Auch dessen Vater Andreas (1659 bis 1714), im Traubuch als "in seinem Handwerk berühmt" bezeichnet, dürfte Bleizüge hergestellt haben. Bekannt ist ein von ihm kunstvoll gestaltetes Altargitter in der Kirche St. Stephan in Oberthingau aus dem Jahr 1708.



Altargitter Andreas Fendt
Schmiedeeisernes Altargitter in St. Stephan von Andreas Fendt aus dem Jahre 1708


Auch ist anzunehmen, dass auch Sylvest Fendt (1605-1656), der 1639 als Schlossermeister von Peiting nach Oberdorf gezogen ist und dort am 6. Oktober das Bürgerrecht erhielt, bereits Bleizugmacher war. Peiting liegt im Pfaffenwinkel mit seinen vielen Klöstern und Kirchen. Dort gab es viele bunt verglaste Kirchenfenster, zu deren Herstellung und Instandhaltung Bleizüge benötigt wurden.

Dominikus Fendt gründete (nach Hinweisen in Prospekten der Fa. Theodor Fendt) bereits im Jahr 1775 in Oberdorf eine Firma für die Fabrikation von Bleizügen, zog aber 1778 von Oberdorf nach Pfaffenhausen.

Johann Michael Fendt (1761 bis 1806) - ein Halbbruder von Dominikus - widmete sich ebenfalls der Herstellung von Bleizügen. Sein Hauptaugenmerk galt allerdings dem Turmuhrbau, mit dem er es zu überregionaler Anerkennung brachte. Am 17.02.1788 heiratete er Kreszens Schmid und zog von Oberdorf in den benachbarten Weiler Ronried.

Auch sein Sohn Peter Paul Fendt (1792 bis 1877) betrieb dieses Handwerk des Bleizugmachers von Ronried aus mit großem Erfolg weiter. So wurde er im Jahre 1834 auf der Bayerischen Industrieausstellung in München für einen dort ausgestellten Bleizug mit einer Bronzemedaille ausgezeichnet. 


Bronzemedaille der Bayerischen Industrieausstellung 1834

Bronzemedaille der Bayerischen Industrieausstellung 1834

Bronzemedaille der Bayerischen Industrieausstellung 1834



Bereits Peter Paul Fendt belieferte einen umfangreichen Kundenstamm, der über die nationalen Grenzen weit hinausging. 



Im Jahr 1857 kehrte Peter Paul mit seinen Söhnen Franz Xaver (1834 bis 1899) und Theodor(1837 bis 1907) nach Oberdorf zurück. Sie bezogen dort das Haus Nr. 17 1/3, worüber der Oberdorfer Chronist Simon Baumann 1864 in seinem Häuserbuch vermerkte: "Gewerbe: Ein Großuhrmacher, der auch Bleizüge verfertigt, die wegen ihrer Güte sehr geschätzt sind und deren Anfertigung sich schon mehr als 100 Jahre in der Familie forterbt."

Bestellung aus Linz an Gebrüder Fendt

Neben Turmuhren und Glasrundschneidmaschinen fertigten die Brüder Franz Xaver und Theodor unter dem Namen Gebrüder Fendt ebenfalls Bleizüge. Mit diesen Produkten unterhielten sie internationale Geschäftsbeziehungen, die bis in die Vereinigten Staaten reichten. Auf der Weltausstellung in Wien 1873 waren sie mit einem Bleizug vertreten.
Mit der Erfindung eines Bügelverschlusses für Bleizugmaschinen durch Theodor Fendt (Patent 58172 von 1891) wurde die Firma Gebrüder Fendt am 1. Mai 1892 aufgelöst und auf Einzelfirmen verteilt. Die Brüder Franz Xaver und Theodor firmierten und fertigten ihre Bleizugmaschinen nunmehr getrennt in eigenen Werkstätten.

Franz Xaver Fendt (1834 bis 1899) stellte die Bleizüge in seiner neu erbauten Werkstatt (1891) statt mit der bisher üblichen Schraubenspannung nun mit doppelter Schneckenspannung her. Dafür ist ihm vom Kaiserlichen Patentamt mit Wirkung vom 7. Oktober 1897 ein Patent erteilt worden.
Im Jahr 1898 hat Johann Georg Fendt (1868 bis 1933) den Betrieb von seinem Vater übernommen und auch er belieferte weiterhin Kunden im In- und Ausland. Waren die Bleizüge bisher mit einer Kurbel für den Handbetrieb versehen, so stattete er sie mit einem Kraftantrieb aus. Auch seine Söhne Xaver (1907 bis 1989) und Hermann (1911 bis 1995) haben von ihrem Vater noch die Herstellung von Bleizugmaschinen erlernt. Das Gesellenstück von Hermann Fendt aus vom Jahre 1927 ist ein elektrisch angetriebener wassergekühlter Bleizug mit einem im Ölbad laufenden Schneckenantrieb. Im Lauf der Jahre hat sich die Firma allerdings immer mehr dem Maschinen- und Fahrzeugbau zugewandt, so dass die Bleizugfertigung hier um 1928 ganz eingestellt wurde.

Theodor Fendt (1837 bis 1907) zog nach seiner Verheiratung 1867 in das Oberdorfer Haus Nr. 29, wo er neben Bleizügen auch Turmuhren herstellte.  Seine Bleizüge waren mit patentiertem Bügelverschluss (Patent 58172) versehen und Prospekt von Theodor Fendtwurden um die Jahrhundertwende auch mit Kraftantrieb (Riemenscheibe oder Elektromotor) geliefert.

Sein Sohn Clemens Fendt (1869 bis 1950) baute den Betrieb weiter aus und belieferte Kunden in ganz Europa. Durch die große Nachfrage nach den durch Clemens 1897 weitgehend standardisierten Bleizugmaschinen konnten Kleinserien von 100 Stück aufgelegt werden. Für die später als Bleizugmaschinen auf Normalsystem bezeichneten Produkte waren auch Ersatzteile jederzeit lieferbar. Im Jahre 1900 erfand Clemens eine Kombinierte Universalmaschine zur Herstellung von Halbmessingsprossen, die international vermarktet wurde. Ab 1928 wurde die Bleizugmaschinenfertigung in Markt Oberdorf nur noch von der Fa. Clemens Fendt KG betrieben und weiter forciert.

Im Jahr 1926 trat Clemens Fendt jun. (1903 bis 2001) in den Betrieb seines Vaters ein und hat diesen 1940 auch übernommen. Aufgrund der Qualität und Bekanntheit der Produkte konnten Lieferbeziehungen in die ganze Welt aufgebaut werden. So sind die auf dem Weltmarkt lange Zeit konkurrenzlosen Normalbleizugmaschinen für Hand- und Kraftantrieb, die in Serien von 100 Stück aufgelegt wurden, heute nicht nur in ganz Europa, sondern auch in Nord- und Südamerika sowie in Japan anzutreffen.


Französischer Prospekt von Theodor Fendt

Altersbedingt und in Ermangelung eines Nachfolgers hat Clemens 1979 die Bleizugfabrikation aufgegeben und das Bleizuggeschäft an die Firma Marktaler in Kaufbeuren verkauft. So endete nach 250 Jahren die Ära der weltbekannten Fendt-Bleizüge.




www.fendt.de